Kinder gucken mit dem Herzen

LZ, am 20.12.2006

"Kinder gucken mit dem Herzen"

Jens Heuwinkel über Humor und Ansprüche seines jungen Publikums

Worüber lachen Kinder?

Jens Heuwinkel: Kinder lieben Slapstick-Elemente und Skurriles – wenn etwas gar nicht zusammen passt, dann finden sie das witzig. Aber vor allem lachen sie gern über Narreteien. Wenn eine Figur, die einen hohen Stauts hat, einen auf die Nase kriegt – das finden sie lustig. Kinder sind halt immer klein, und die Erwachsenen sind immer mächtiger und dürfen alles. Darum gefallen Kindern diese Spielereien mit hohem und niedrigem Status so gut.

Mit Ironie können Kinder dagegen noch nichts anfangen, oder?

Heuwinkel: Nein. Ironie gibt es bei Kindern nicht, das dauert ein bisschen, bis sich das entwickelt. Aber das befreiende Lachen, das ist auch ganz stark vertreten. In meinem Stück „Wind und Stein“ etwa gibt es eine Szene, in der sich zwei Segelschiffe begegnen, auf dem einen sind die Guten, auf dem anderen die Piraten, schließlich fällt ein Schuss – und die ganze Bedrohung löst sich in einem kleine Plopp auf. Das finden Kinder klasse.

Haben Kinder andere Ansprüche an Unterhaltung als Erwachsene?

Heuwinkel: Kinder gucken mit dem Herzen, Erwachsene mit dem Kopf. Wenn Große irgendeinen Comedian schon mal im Fernsehen gesehen haben, dann lachen sie darüber, egal was er macht. Durch den Filter „lustig“ ist das dann schon mal durch. Kinder lachen nur dann, wenn es ihnen wirklich gefällt – dann aber auch bei jeder einzelnen Wiederholung. Ich denke, die Ansprüche von einem Kinder- Publikum sind nicht unbedingt höher, aber echter.

Angebote für das junge Publikum gibts ja reichlich. Was macht denn eigentlich gutes Kindertheater aus?

Heuwinkel: Gutes Kindertheater ist mit Herz gemacht. Und man sollte den Kindern zuhören, auf sie eingehen. Ich habe oft den Eindruck, es gibt ganz viele Situationen, in denen Erwachsene meinen, sie tun Kindern was richtig Gutes – aber sie haben nie mit den Kindern gesprochen.

Ist es wichtig, dass Kindertheater interaktiv angelegt ist, dass die kleinen Zuhörer mitmachen können?

Heuwinkel: Früher dachte ich, das sei das A und O. Heute denke ich, dass solche Elemente durchaus wichtig sind, aber wenn man die Möglichkeit hat, sollte man ruhig auch mal ein Stück spielen, dass die Kinder für eine Dreiviertelstunde richtig aus ihrem Alltag entführt. Und dass sie eben nicht alle Augenblicke durch eine Mitmach-Aktion auf sich selbst zurückgeworfen werden.

Wie entstehen deine Stücke?

Heuwinkel: Alle entstehen aus einer Lebenssituation heraus, trotzdem sind die Ansatzpunkte jeweils ganz unterschiedlich. Bei „Herr Pöppenkötter macht eine Freude“ hatte ich zum Beispiel zuerst die Grundidee, die wir dann nach und nach abgewandelt und ausgebaut haben. Ich arbeite mittlerweile mit Regisseur. Bei „Wind und Stein“ hatte ich zunächst ein paar Requisiten als „Dosenöffner“ – allen voran die Fahnen, die japanische Samurai auf dem Rücken trugen. Ich war und bin immer noch von Aikido und allem Japanischen fasziniert. Und die Idee mit den Fahnen habe ich dann ausgebaut – daraus kann man Räume machen, Segelschiffe, Buchseiten, Türen. Die sind ungeheuer vielseitig.

Hast du ein Lieblingspublikum?

Heuwinkel: Am liebsten spiele ich für Kinder, die am wenigsten Theater zu sehen bekommen. Kinder, für die Theater etwas ganz Neues, Besonderes ist. Aber auch Kinder, die während des Stückes immer dazwischenquatschen, können ein gutes Publikum sein. Das ist dann zwar ungeheuer anstrengend, aber wenn ich nachher merke, die haben richtig was mitgenommen, ist das toll. Ein energetischer Austausch ist schon wichtig. Nein, ein richtiges Lieblingspublikum gibt es eigentlich nicht – aber Wünsche an meine Zuschauer habe ich schon.

Und zwar?

Heuwinkel: Ich wünsche mir etwas mehr Experimentierfreude. Der Trend geht dahin, dass vor allem solche Stücke gebucht werden, die man schon kennt oder zu denen man zumindest schon das Buch gelesen hat. Ein bisschen mehr Mut auf Neues wäre schön.

Aber das ist doch eigentlich kein Wunsch an die Kinder, sondern einer an die Eltern, Lehrer und Erzieher, die die Stücke auswählen, oder?

Heuwinkel: Ja, genau. Und da sind wir dann wieder bei dem Punkt, dass Erwachsene eben oft denken, sie machten Kindern eine Freude, ohne mit ihnen gesprochen zu haben. Ich glaube, die Kinder selbst wären oft viel experimentierfreudiger.